Der Schmerz der Welt, der in einem Komma steckt

Von Erfahrungen im Selfpublishing, Perfektionismus und Rechtschreibung, Stress und Entwürdigung

Heute hat mich etwas mal wieder tief getroffen. Mein fallender Stern. Ein kleiner Stern.
Genauer gesagt: der fehlende fünfte Stern unter meinem Floh-Ratgeber. Wegen ein paar Tippfehlern.
Und es offenbarte mir wieder, wie schmerzhaft Erfahrungen im Sefpublishing.

Rezension aus Amazon
Bild: Kundenrezensionen und Sternesysteme für Herzensprojekte?

Und weißt du was?
Das hat weh getan.
Richtig weh. Ich saß weinend vor dem PC, auch wenn die Bewertung schon über Jahre her ist und sich im Grunde gar nicht schlecht liest. Ich weine jedes Mal. Doch heute war es wieder besonders schlimm. Warum?
Vielleicht, weil ich mit meinem Weinbuch vor kurzem denselben (Korrektur-)Kampf geführt habe und alles wieder voll präsent war.

Nicht, weil die Kritik unfair wäre.
Sie stimmt sogar.
Aber weil sie etwas offenlegt, das viel größer ist als ein Buch:

Wir leben in einer Zeit, in der Fehler teurer sind als Menschlichkeit und Inhalte. Es zählt nur noch die Form und die Äußerlichkeiten. Und jemand, der beim Scollen nur auf Sterne achtet und sich nicht die Mühe macht, Rezensionen zu lesen, der fühlt sich von 4 Sternen vielleicht schon abgeschreckt, weil er nach Perfektion sucht. Wie viele scollen nun also vorbei, denen das Buch wirklich helfen könnte?

Ich bin Selfpublisherin

Das heißt:
Ich recherchiere die Inhalte oder habe sie wie im Flohbuch sogar selbst durchlitten, ich schreibe das Buch, ich setze es, ich gestalte Cover und Klappentexte, ich lektoriere es und korrigiere es. Ich finanziere es selbst – von den Ausbildungen, die ich zum Baubiologen gemacht habe, bis zu den Käufen von mittelalterlichen Urkunden aus dem Generalarchiv in Karlsruhe wie bei meinem Weinbuch! Ich lade es hoch, ich mache Werbung, ich trage die volle Verantwortung und gebe in diese Bücher 100 % meiner selbst. Nicht für mich. Es sind Nischenprodukte, man wird nicht reich mit einem Ratgeber über Flohbefall oder einem Weinbuch über mittelalterliche Arzneiweine. Ich schreibe es für die Handvoll Menschen, die es vielleicht auch interessiert, denen ich helfen kann oder die sich darüber freuen. Und ich zahle jedes Mal 40 Euro, wenn ich eine neue Version hochlade.

Verlustgeschäft

Mein Floh-Buch hat in den letzten 4 Jahren insgesamt 15,30 € eingebracht.
Die Veröffentlichung hat mich aber über 39 € gekostet.
Und ein einziges Rechtschreibkorrektorat hätte 350 € verschlungen!
Wenn ich also noch mal eine Version hochlade und einen Lektor bezahle, dann hätte ich Gesamtkosten von rund 429 Euro und bräuchte „nur“ 112 Jahre bei gleichbleibender Nachfrage, bis sich das Buch amortisiert hat! Ich schrieb es nicht für Geld, sondern weil ich helfen will.

Ich mache mit diesen Büchern ein Verlustgeschäft!

Das ist die Realität.
Das ist kein „passives Einkommen“.
Sondern: Idealismus auf eigene Kosten.

Herzensprojekte gehören nicht bewertet, sie gehören mitgefühlt

Und genau deshalb trifft so eine Bewertung mitten ins Herz.
Es tötet den Idealismus der wenigen, die ihn noch haben.
Nicht, weil man keine Kritik verträgt,
sondern weil sie das System sichtbar macht, in dem wir leben:

  • Ein System, das Perfektion erwartet, aber keinen Raum für echte Menschen lässt.
  • Ein System, das kreative Arbeit misst wie Maschinenleistung.
  • Ein System, das Selfpublisher dafür bestraft, dass sie mutig genug sind, es überhaupt zu wagen.

Ich sitze also da und denke:
Warum mache ich das?
Warum zahle ich für ein Buch, das anderen hilft?
Warum trage ich alles allein – und bekomme am Ende eine Zahl dafür?

Und dann kam der Geistesblitz:

Weil es genau darum geht.
Weil Bücher von Menschen geschrieben werden.
Nicht von Maschinen
, Verlagen oder von perfekten Rechtschreibalgorithmen.
Weil ich hoffe, dass ich nur einem Menschen auf der Welt damit helfen kann (Ratgeber bei Flohbefall) oder ihm eine Freude mache (Weinbuch).

Tippfehler sind keine Makel.
Sie sind ein Herzschlag.
Ein Fingerabdruck.
Ein Beweis, dass ein echter Mensch geschrieben hat, und nicht ChatGPT; ein Mensch, der keine 20.000 € Produktionskosten im Rücken hat, sondern nur Mut, Wissen und den Wunsch, etwas zu verändern.

Und genau deshalb schreibe ich diesen Text nicht unter die Rezension, sondern hierher.
Zu Epigenius, zu mir, zu den Menschen, die verstehen, dass Wachstum mehr ist als Fehlerfreiheit.

Wenn Rechtschreibregeln Kreativität töten

Vor hundert Jahren – und erst recht zu Goethes Zeiten – durften Autoren noch freier schreiben. Rechtschreibung war kein starres Korsett, sondern ein bewegliches System. Perfektion ging über die Inhalte, nicht die Form. Und die Perfektion des Inhaltes aus meine Floh-Ratgeber kommt in der Buchbewertung aus dem Einstieg auch durch. Aber: Perfektionismus und Rechtschreibung passen heute nicht mehr zusammen und werden doch in einen „Sterneset“ vereinheitlicht.

Ein Goethe, ein Luther oder ein Schiller konnten Wörter schreiben, wie sie klangen, wie sie fühlten, wie sie gemeint waren. Niemand hätte ihre Genialität an einem fehlenden Komma oder einem „falsch“ gesetzten Buchstaben gemessen. Die Sprache diente dem Gedanken, nicht der Norm. Wenn Menschen, die wie Goethe, Walt Disney, Ernest Hemingway und Bill Gates sind, heute nicht mit den Fesseln der Rechtschreibregeln geknechtet werden würden: Wie viel weiter wären wir heute? Solche Menschen haben mehr zu sagen, als dass man „Algorithmus“ mit „t“ schreibt. Und deswegen ist ein Bill Gates heute das, was er ist und Goethe, das Genie als den wir ihn kennen.

Aber wir? Wir halten uns klein über etwas, das wir uns selbst auferlegt haben. Perfektionismus und Rechtschreibung! Ich weiß, viele Lehrer, vor allem Deutschlehrer, werden über diesen Text den Kopf schütteln … und dann? Dann rate ich euch: Geht in die Kinderzimmer zu den Kindern, die sich wegen eines fehlenden Kommas weinend im Bett wälzen, weil sie nicht verstehen, dass nicht ihre Gedanken es sind, die zählen, oder der gute Wille, sondern eine Oberflächlichkeit. Ihr glaubt nicht, dass sie weinen. Ich sitze hier und weine noch immer. Ein halbes Jahrhundert nach meiner Schulzeit! Und wisst ihr was? Es wird mit jedem Tag schlimmer. Und dieser fehlende Stern hat die Wunde wieder aufgerissen. Das tut weh. Vor allem, weil er oder sie gänzlich anonym ist. Ich kann ihm oder ihr nicht sagen, was sie oder er da angerichtet hat.

Wie Selfpublishing wirklich aussieht

Wer einmal nachlesen will, was alles hinter einem selbst verlegten Buch steckt, der darf das gern bei meinem Selfpublishing-Weinbuch nachlesen, sämtliche Artikel dazu finden sich auf meinen Substack. Hier am alle zum Weinbuch gehörenden Artikel aufgelistet, damit ihr nicht suchen müsst:

  1.  Wie man aus Versehen ein Weinbuch schreibt – Die Hintergrundgeschichte
  2.  Wie es kostet, den Autor etwas, ein Buch zu schreiben? – Kosten, Teil 1
  3.  Selfpublishing bei BoD: Freiheit für Hartgesottene – Der Kampf mit der Technik
  4.  Was es kostet, ein Buch zu lieben – Mit Video! Das Autorenexemplar
  5.  Vinum – Startinformation membrorum – Das Lektorat in Eigenregie
  6. Warum das Weinbuch ein Low-Budget-Projekt sein musste – Kosten, Teil 2
  7.  Willkommen in Absurdistan – Die Odyssee einer Selfpublishing-Autorin
  8. How to Accidentally Write a Wine Book (English Edition)
  9.  Click und go! Geschafft. – Der Abschluss des Projekts

Vielleicht ist das der eigentliche Punkt:

Perfektion ist teuer. Menschlichkeit kostet nur einen Herzschlag.
Fehler bedeuten immer Stress, aber sie sind auch ein Teil des Weges der Erkenntnis.
Selbstwirksamkeit beginnt nicht bei 0 Tippfehlern. Sie beginnt bei dem Mut, trotzdem zu veröffentlichen.

Das hier ist meine Erinnerung an mich selbst – und vielleicht auch an dich:

Wir schreiben nicht, um perfekt zu sein.
Wir schreiben, um etwas zu bewegen.

Und das ist unbezahlbar.

Alle Bücher gibt es bei Books on Demand

Den Flohratgeber „Flöhe, die (un-)heimliche Plage, Ein Ratgeber gegen Flohbefall im Haus„,
Das Buch der mittelalterlichen Weine“ und die englische Version des „The Book of Medieval Wines“ kann man überall im Buchhandel oder eben bei Amazon kaufen.

Drei Wünsche einer Autorin:

Bitte bestellt bei BoD direkt. Warum? Dann werden aus den 10 % Autorenmarge nämlich 15-20 %. Vielleicht erlebte ich dann noch zu Lebzeiten, dass sich meine Eigenkosten wenigstens annähernd eingespielt haben. Das ist auch der Grund, warum ich KEINE fehlerfreie Version des Flohratgebers hochlade. Mir fehlt schlicht das Geld.

Bitte schreibt eine Rezension. Warum? Selbst wenn einer auf Punktabzug wegen Tippfehlern besteht, tut es ein andere nicht. In der Summe hebt sich das dann wieder auf.

Schreibt mir, wenn ihr Fehler findet, oder etwas, das wirklich geändert werden sollte. Seid meine Lektoren, meine Rechtschreibkorrektoren, meine Helfer. Nicht alles muss im Zeitalter der KI auch mit KI gemacht werden und selbst dann gilt:

Hinweis bei ChatGPT
Bild: Das steht unter jedem Chat bei ChatGPT

Ich danke euch.

Die Bücher von Sindy Grambow
Bild: Echte Nischenprodukte, echte Herzensprojekte, 100 % selbst gemacht. Insgesamt über 2500 Stunden Arbeit! Vom ersten Buchstaben auf dem Bildschirm bis zum Cover. 100% ich. Kein Verlag hätte sie gedruckt. Und dann ein Stern Abzug....von Menschen, die sich nicht mal zeigen wollen. Das ist wie das Schießen eines Snipers aus der Deckung auf Menschen die mit allem was sie sind aufs offene Feld gehen, nur bekleidet in Unterhosen.

Gedanke zum Schluss

Eigentlich wollte ich nur einen Geistesblitz schreiben, aber allein das Herausfiltern von 3 Rechtschreibfehlern frisst:

  • 3 Stunden Zeit
  • 300 % Aufmerksamkeit
  • 500 % Nerven
  • und 1000 % Kreativität, die dabei flöten geht

Das ist genau das Pareto-Dilemma, unter dem viele leiden. Bei mir:

Nur 20 % meiner Arbeit sind Kreativität und 80 % sind Ballast. Dabei sollte es umgekehrt sein.

Dabei müssten wir nur den Mut haben, zu sagen: Die 20 % darfst du behalten.
So erschlägt ein fehlender Stern mich mit Ballast.

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