Schriesheimer Zaubernuss
Danke, dass du eine Strahlenberger Zaubernuss erworben hast.
Hinter ihr steckt mehr als Goldlack, Nuss und Wachs:
eine Geschichte, ein Traum und der nächste Schritt,
die Strahlenburg wieder leuchten zu lassen.
Und so, wünschte dir Conrad von Strahlenberg, Gründervater der Stadt Schriesheim und Erbauer der Strahlenburg 1238 frohe Weihnachten:

Vom geist der wîhennaht
Man saget, der geist der wîhennaht wone niht in gôld noch in gaben,
noch in worten der priester,
sunder in den herzen derer,
die teilen, ob sî niht vil hânt.Und wer daz lieht einmal gespüeret hat,
der trägt es – ob unbewusst –
durch alle zîten.
Das Bild ist rekostruiert nach dem dem Engelsbild in der Torhalle des UNESCO Welterbe Kloster Lorsch. In unserer heutigen Zeit sieht es so aus und der Text würde wie folgt lauten:
Der Geist der Weihnacht
Man sagt, der Geist der Weihnacht wohnt
nicht in Gold und nicht in Gaben,
nicht in den Worten der Priester,
sondern in den Herzen derer,
die teilen, auch wenn sie wenig haben.Und wer dieses Licht einmal gespürt hat,
der trägt es – ob bewusst oder nicht –
durch alle Zeiten.

Und nun: Nimm Dir eine Decke und lass Dich entführen, in einen kalten Tag des 24. Dezembers im Jahr des Herren 1238, als man Weihnachten noch anders feierte als heute, als Schriesheim als junge Stadt gerade frisch aus der Erde wuchs und die Johanneskirche in Leutershausen noch das größte Gotteshaus auf Conrads Grund uns Boden war.
Die erste Schriesheimer Weihnachtsgeschichte
Der erste Schnee lag auf den Rebhängen zwischen Leutershausen und Schriesheim. Der Atem der Pferde dampfte in der kalten Nachtluft.
Conrad von Strahlenberg ritt an der Seite seiner Frau Elisabeth den verschneiten Weg am kleinen Dorf Schriesheim vorbei, über die Gäulsbrücke mit der zugefrorenen Lobdenach, dann bogen sie in den Burgweg hinauf, der in einer großen Kurve hinauf zur Strahlenburg führte. Vor ihm trug ein Diener eine Laterne.
Sie kamen von der Christmette in der Johanneskirche in Leutershausen, die in dieser Nacht bis auf den letzten Platz gefüllt gewesen war. Er sah zu seiner Familie auf dem Wagen. Siegfried von Venningen saß auf dem Kutschbock, die Zügel fest in der Hand. Und erstaunlicherweise passte das Rattern der Räder zur Melodie des Kyrie Eleison, das er summte. Der junge Ritter wusste sehr wohl, dass er Conrads kostbarste Fracht mit sich führte.
Neben Siegfried saßen Lisbeth, Liba und Christine, eng aneinander gekuschelt, und der junge Heinrich, der immer wieder versuchte, die Zügel zu greifen und dabei immer wieder so tat, als wäre er es nicht gewesen.
„Heinrich! Lass Siegfried lenken. Der Weg ist dunkel. Nachher landen wir alle noch im Graben!“, ermahnte ihn Elisabeth, die hinter ihren Kindern saß. In ihre Brust schmiegte sich der kleine Conrad, ein Jahr alt an diesem Heiligen Abend und vom Geschaukel des Wagens und der Dunkelheit müde geworden.
„Dann landen wir im Schnee!“, freute sich Liba.
„Und danach liegst du krank im Bett, Schwesterherz“, Lisbeth schüttelte den Kopf.
„Dann gibt es Vaters Holunderwein“, Liba streckte ihrer Schwester die Zunge heraus.
„Liba! So benimmt sich eine junge Dame nicht“, Elisabeth seufzte.
„Mir gefällts“, lachte Siegfried und zwinkerte Liba zu, die sofort noch röter anlief, als ihre Backen durch die Kälte schon waren.
„Kinder, Kinder!“, schüttelte sich Conrad. „Ich freue mich gleich auf einen Becher warmen Hypocras.“
„Bekommen wir auch einen?“, fragte Liba und zog eine Grimasse in Richtung ihrer älteren Schwester.
„Du bekommst höchstens die eingelegten Rosinen“, konterte sie.
„Zur Feier des Tages bekommt jeder von euch einen halben Becher“, verkündete Conrad und murmelte: „Dann schlaft ihr wenigstens schnell.“
Siegfried verkniff sich das Lachen.
„Ja“, freute sich Lisbeth. „Der Geburtstag des Herren und der erste Geburtstag unseres Bruders.“
Conrad lächelte milde. Er wird doppelt gesegnet sein, geboren am Tag der Geburt unseres Herr´, hatte der Pfarrer zu ihm gesagt, als sie nach der Messe aus der Kirche hinausgingen und sein jüngster Spross laut quakend die Mönche nachmachte.
Oben auf der Burg war es warm. Die Feuerknechte hatten Feuer in den Kaminen entfacht, der Duft von Brot und Braten zog bereits von der Küche in den Palas, und die kleine Familientafel war schon gedeckt.
Conrad rief den Kellermeister, um die Becher zu füllen und auf seinen Sohn, seine Familie und diesen heiligen Tag anzustoßen. Doch der Kellermeister trat unsicher heran.
„Herr, der gute Wein vom Ludwigsgewann … der, den Ihr für das Fest aufheben wolltet … ist … er ist … fort.“
Conrad sah auf. „Fort?“
„Euer Knappe, der junge Herr von Steinach, nahm einen Krug hinab ins Tal. Er sagte, es sei für eine der neuen Familien, deren Haus noch kalt sei und nicht ganz fertig.“
Der Vogt schwieg, dann trat er näher und verschränkte die Arme: „Ohne meinen Befehl?“
„Er sprach, es sei im Geist des Tages, Herr.“
Einen Moment herrschte Stille. Nur das Feuer knackte. Elisabeth sah ihn an, und in ihren Augen lag das, was er immer bei ihr sah, wenn sie Menschen half: Mitgefühl. Fast hätte es ihn erweicht, doch es war sein bester Wein, und dies der wohl wichtigste Moment des Jahres.
Dann sagte Conrad leise: „Lass das Pferd wieder satteln, ich reite hinunter.“
„Conrad!“, wisperte Elisabeth, und in ihrer Stimme lag Milde, Wehmut und entfernt schwang auch ein wenig Enttäuschung mit. „Es ist Weihnachten!“
„Und es ist mein Wein. Ich bin gleich wieder zurück.“
Er ritt hinab, dieses Mal allein. Der Schnee glitzerte im Mondlicht, und über dem Tal lag jene tiefe, heilige Ruhe, die nur diese Nacht kannte.
Seine Stadt wuchs. An den abgesteckten Straßen reihte sich eine Baustelle an die andere, wechselten sich unterschiedliche Baufortschritte ab. Während an manchen Stellen noch die Baugruben der Keller klafften, erhob sich nebenan bereits das Ständerwerk der Häuser wie Gerippe. Doch alles war durch den Winter zum Erliegen gekommen.
Er ritt durch die Straßen seiner zukünftigen Stadt und schielte durch die kleinen Fenster der bereits bewohnten Häuser – immer auf der Suche nach seinem Knappen oder einem seiner Weinkrüge.
An einem der Häuser, die noch ohne Fenster und mit halbfertigem Dach standen, strömte ihm ein allzu bekannter Geruch entgegen: Zimt, Nelken, Muskat – in einem Bukett aus sattem Fränkischen.
Vor dem schmalen Fenster hing ein kaputtes Leinenhemd und wehrte nach besten Kräften die Kälte von draußen ab. Conrad stieg ab und schaute durch das Loch im Hemd in die Stube.
Eine junge Frau, kaum älter als fünfzehn Jahre, hielt ein Säugling im Arm. Neben ihr stand ein junger Kerl von vielleicht zwanzig Jahren, mit zerzaustem Haar, und legte der jungen Frau eine Decke um die Schultern. Dahinter: sein Knappe, der am Tisch stand, einen Krug hielt und den Wein in einen Becher füllte.
Der Steinacher reichte der jungen Frau den Becher, sie nippten an dem Getränk, und ihre Augen leuchteten. Dann reichte sie ihrem Mann den Becher, und das dünne Feuer spiegelte in ihren Gesichtern die Freude über jenen besonderen Augenblick.
Als die Frau einen Schritt zur Seite trat, sah Conrad, dass sein Knappe auch einen Laib Brot und etwas Käse zu der jungen Familie gebracht hatte.
Conrad seufzte. Er ging zur Tür und klopfte.
„Herr von Strahlenberg!“, erschrak sein Knappe, riss die Augen auf und sah ertappt zum Tisch. „Ich … ich wollte … also ich …“
„… wolltest den Geist der Weihnacht teilen? Und meinen Wein?“
„Herr, seid gnädig mit eurem Knappen. Es war allein meine Schuld“, sagte die junge Frau, und erst jetzt, so nah bei ihr stehend, erkannte Conrad, wie ausgezehrt sie war. Ihre Kleidung war einfach, aber durchgewetzt, Schuhe trug sie keine.
Und nun erkannte er den jungen Mann: Es war einer der Gesellen des Burgbautrupps.
„Du bist Martin, aus Volzos Bautruppe. Was machst du hier?“, fragte er.
„Ich, Herr, habe in Heidelberg meine Hildrun gefunden, und der werte Herr Walter, der dieses Haus bauen lässt, hat mir angeboten, hier den Winter zu verbringen, bis der Bautrupp wieder seine Arbeit aufnimmt.“
„Ihr wohnt hier? Über den Winter?“ Conrad sah zum Fenster, an dem das Hemd starr vor Frost hing. Von der Treppe, die nach oben führte, fiel die Kälte in die Stube wie ein Eisenhammer und ließ das kleine Feuer in der Feuerstelle wissen, dass sie es jederzeit verlöschen konnte.
Der Säugling begann zu weinen, und Hildrun schaukelte ihn, als würde sie befürchten, dass der Vogt gleich aus der Haut fuhr.
Dann sah Conrad zu seinem Knappen, schüttelte den Kopf über ihn und sagte: „Die Wege des Herrn … hm … das wird Elisabeth gefallen. Packt eure Sachen zusammen, ihr kommt mit in die Burg.“
„Wir haben nichts verbrochen, Herr. Wenn ich den Schluck von eurem Wein bezahlen soll. Ich arbeite alles ab!“, verteidigte sich Martin winselnd.
„Du musst gar nichts, Martin. Aber wenn du für mich arbeiten willst: ich könnte jemanden gebrauchen, der immer mal wieder Ausbesserungen macht oder hilft, den neuen Wirtschaftshof, den ich bauen will, in Stand zu setzen.“
„Ihr bietet mir Arbeit an, Herr?“
Conrad nickte. „Aber zuerst: Mein Sohn hat heute Geburtstag. Seid meine Gäste mindestens über den Winter.“
Martin und Hildrun sahen sich ungläubig an, dann sahen sie auf Conrad und seinen Knappen und fielen sich weinend vor Glück in die Arme.
So nahmen sie den kurzen Weg durch den Weinberg der Ellwangener hoch zur Burg. Hildrun saß mit dem Baby auf dem Pferd, dahinter Martin; das wenige Hab und Gut, das sie hatten, hatten sie verschnürt, und Conrad und der junge Steinach stapften durch den Schnee und staunten über das Licht auf der Burg, das heller schien als sonst.
Elisabeths Augen strahlten, als sie ihren Mann mit diesem „Ich konnte nicht anders“-Gesicht und den Gästen in den Burghof kommen sah.
Sie ließ den Hypocras erwärmen und fügte noch einen Löffel Honig extra hinzu.
Es wurden zwei weitere Gedecke aufgelegt, und vor dem großen Kamin der Strahlenburg schlief der einjährige Conrad auf einem Schaffell neben dem kleinen Töchterchen des Baugesellen, während Heinrich mit seinem Holzpferd Ritter spielte und Liba und Lisbeth die Lieder aus dem Gottesdienst summten.
Über allem lag der Duft von Gewürzen und frischem Brot, Braten und Mispelmus.
Conrad hob den Becher.
„Heute ist der Tag, an dem das Licht geboren ward“, sagte er, „und der Tag, an dem mein Sohn das erste Jahr vollendet. Und heute hat unsere Schriesheimer Gemeinschaft und Familie drei neue Mitglieder dazugewonnen: Martin, Hildrun und …“
„Hanna, gütiger Herr“, sagte Hildrun und lächelte.
„Hanna. Möge in uns allen ein neues Licht entzündet werden – und möge diese Stadt jedem ein Zuhause sein, der Schriesheim zu seinem Zuhause machen möchte. So wie diese Burg und dieses Land unser Zuhause ist.“
Und so – so würde ich gerne schreiben – erzählte man sich bis heute wie Conrad von Strahlenberg auf seiner Burg zum ersten Mal Weihnachten mit einen Schrisheimer Bürger und seiner Familie feierte.
Doch: diese Geschichte ist gerade erst entstanden. Aber vielleicht…vielleicht wird man sich das morgen erzählen.
Du magst die Geschichte lieber im mittelalterlichen Hochdeutsch? in Conrads Originalsprache des 13. Jahrhunders? Warum nicht.
Das Original Hypocras-Rezept
„Das Buch der mittelalterlichen Weine“ hat die Schriesheimerin Sindy Grambow im Zuge ihrer Romanrecherche zu Conrad von Strahlenberg geschrieben. Es enthält 38 Rezepte, die aus dem 13. und 14. Jahrhundert von Arnaldus von Villanova, Arzt, Gelehrter und Erfinder des Brandweins, niedergeschrieben wurden. Conrad hätte gewiss ein Teil dieser Rezepte gekannt und als der Vogt des größten Weingutes an der Badischen Bergstraße sicher auch das eine oder andere Gläschen Hypocras getrunken.
Besuche Sindy gern auf ihrem Substack. Dort berichtet sie regelmäßig über ihre Arbeit an ihren Roman Conrad, wie er und das Schreiben sie verändert und was sie über Schriesheim, die Bergstraße und das Mittelalter in unserer Region herausfindet. Substack ist ein kostenloser Blog-Newsletter, der dir aber auch die Möglichkeit bietet, die geistigen Arbeit zu unterstützten, wenn du das möchtest. Die erste Schriesheimer Weihnachtsgeschichte mit Conrad, sowie einige der Weinrezepte, auf die im Roman immer mal wieder angespielt werden, sind im Zuge ihrer Arbeit am Roman entstanden.
Sindy hat sich entschlossen, von den 3 Euro, die sie pro Weinbuch-Verkauf verdient, mindestens 1 Euro an die Stiftung zu geben, damit Conrads Burg wieder für alle zugänglich wird.
Wir von der Stiftung Strahlenburg wünschen Dir
ein gesegnetes Weihnachtsfest und
ein erfolgreiches und gesundes Jahr 2026
Herzliche Grüße