
Goethe und die Rechtschreibung
Johann Wolfgang von Goethe – eines der bekanntesten deutschen Multitalente war Dichter, Naturwissenschaftler und Staatsmann. Doch wusstest du, dass Goethe heute berüchtigt für seine fehlerhafte Rechtschreibung sein würde? Er lebte zu einer Zeit, da gab es noch keine Rechtschreibregeln und heute hätte man ihm wohl Legasthenie diagnostiziert. Wäre er in unserer heutigen Fehlerkultur aufgewachsen, hätte er womöglich nie seine Meisterwerke veröffentlicht und wäre in der Schule und von der Gesellschaft so zurechtgewiesen worden, dass er seine Talente nie in diesem Maße ausgelebt hätte. Er wäre durch seine Fehler genauso blockiert gewesen und hätte unter Stress gestanden, wie wir heute. Und: Goethe hatte eine Burnout – ganz ohne Rechschreibperfektion! Man stelle sich vor: Ein Lehrer, der ihn für jedes falsch geschriebene Wort rüffelt. Kritiker, die seine Manuskripte wegen Tippfehler zerpflücken, statt ihre Genialität zu erkennen. Hätte Goethe unter diesem Druck weiterhin geschrieben? Hätte er sich entwickelt? Oder wäre er verstummt? Auch er wurde seiner Zeit schon zu genüge kritisiert, ansonsten wäre versteckte Botschaften wie aus dem Prolog im Himmel, auf Goethes Faust „Es irrt der Mensch solang er strebt!“, ihm wohl nicht in den Sinn gekommen.

6 Monate Schule und keine Lust mehr
Warum hören viele Kinder nach wenigen Monaten auf, gern zur Schule zu gehen? Warum haben so viele Erwachsene Angst vor Kritik? Ein großer Teil davon liegt in unserer Fehlerkultur. Fehler werden nicht als normaler Teil des Lernens betrachtet, sondern oft als Scheitern empfunden. Und Kinder stehen unter Leistungsdruck und Stress. Doch woher kommt das? Warum stören Fehler manche Menschen so sehr? Und wie könnten wir anders damit umgehen?
Warum passieren Fehler?
Fehler entstehen nicht grundlos – sie sind oft eine Folge von:
- Zeitmangel und Stress
- Wer unter Druck arbeitet, hat keine Zeit für ausführliche Korrekturen.
- Schnelle Entscheidungen führen zu „System-1-Denken“ (Daniel Kahneman) – wir handeln intuitiv statt reflektiert.
- Existenzdruck und Leistungsgesellschaft
- In vielen Berufen zählt Geschwindigkeit mehr als Perfektion.
- Wissenschaftliche Erkenntnisse veralten – was heute „richtig“ ist, kann morgen widerlegt sein.
- Legasthenie und Wahrnehmungsunterschiede
- Manche Menschen sehen bestimmte Fehler nicht – selbst nach mehrfacher Prüfung.
- Unwissenheit und subjektive Sicherheit
- Manchmal glauben wir, etwas sei richtig, weil wir es immer so gemacht haben.
- Wir können nicht ständig up-to-date bleiben.
- Routineblindheit und Musterdenken
- Unser Gehirn füllt Lücken automatisch aus – bekannte Muster überlagern Details.
- Fehlertoleranz und bewusste Experimente
- Wer lernt, macht manchmal auch absichtlich Fehler, um Erkenntnisse zu gewinnen.
- Wer lernt, macht manchmal auch absichtlich Fehler, um Erkenntnisse zu gewinnen.
Berufe, in denen Fehler schwerwiegende Konsequenzen haben
Natürlich gibt es Berufe, in denen Fehler alles andere als harmlos oder einfach zu korrigieren sind und in denen man sich Perfektion wünscht, da Fehler hier zu lebensbedrohlichen Situationen führen oder weitreichende Folgen haben können. Das sind auch meist die Berufe, die genau wegen ihrer Fehlerintoleranz den meisten Stress verursachen:

- Medizin & Chirurgie
- Ein falsch dosiertes Medikament oder ein Fehler bei einer Operation kann fatale Konsequenzen haben.
- Ärzte und Pflegekräfte stehen unter hohem Druck, Fehler zu vermeiden, aber auch aus ihnen zu lernen.
- Luft- & Raumfahrt
- Kleine Berechnungsfehler können in der Luftfahrt zu schweren Unfällen führen.
- Sicherheitsmechanismen, Checklisten und redundante Systeme helfen, Risiken zu minimieren.
- Ingenieurwesen & Bauwesen
- Konstruktionsfehler in Brücken, Gebäuden oder Fahrzeugen können katastrophale Folgen haben.
- Qualitätskontrollen und Prüfverfahren sind essenziell, um Fehler frühzeitig zu erkennen.
- Finanzwesen & Wirtschaft
- Fehlentscheidungen in der Finanzbranche können zu Wirtschaftskrisen führen.
- Risikomanagement und sorgfältige Analysen helfen, schwerwiegende Fehler zu verhindern.
- IT & Cybersicherheit
- Programmierfehler oder Sicherheitslücken können zu Datenverlust oder Hackerangriffen führen.
- Code-Reviews und Tests sind entscheidend, um Fehler zu minimieren.
Dennoch gibt es auch hier einen geschützten Rahmen, in denen Fehler gemacht werden dürfen (Ausbildung, Lehrjahre) und diese auch prozessbegleitend von Ausbildern überprüft und korrigiert werden. Diese Berufe klammern wir mal aus. Aber was ist mit dem „normalen“ Leben? Hier könnten wir die Dinge sehr viel entspannter angehen, Fehlern auch mal Raum geben und lernen an ihnen zu wachen. Paradoxer Weise kann eine Umgebung, die das Lernen aus Fehlern ermöglicht, langfristig die Sicherheit und Qualität verbessern.
Warum stören Fehler manche Menschen so sehr?
Das ist eine Frage, die sich mir immer öfter stelle, sowohl wenn ich Fehler mache, als auch wenn ich Fehler finde. Darauf gibt es mehrere Antworten.
- Eigene Unsicherheiten oder der eigenen hohe Perfektionsanspruch
- Wer sich selbst keine Fehler erlaubt, reagiert oft besonders streng auf die Fehler anderer.
- Vor allem wenn man selbst sehr hohe Erwartungen an sich hat, wird man (eigenen wie fremden) Fehlern gegenüber sehr intolerant. Allerdings teilt nicht jedes Gegenüber diesen hohen Perfektionsanspruch und meist geht man davon aus, dass der anderen auch perfekte Ergebnisse haben möchte. Aber vielleicht ist das gar nicht so.
- Macht & Kontrolle:
- Fehler zu erkennen gibt ein Gefühl von Überlegenheit. Manche korrigieren andere, um sich selbst zu profilieren. Das muss noch nicht mal bewusst erfolgen. Bei Lehrer kann man das häufiger beobachten, die alltäglich gewohnt sind, dass sie Kinder auf ihre Fehler hinweisen. Das setzt sich bei vielen aus diesem Beruf fort. Oft hört man dann ein „Ich bin/war Lehrer,“ oder „Ich bin/war Redakteur“. Ein Ermächtigungssatz, der über viele Jahre gelebt wurde und oft nicht böse gemeint ist. Aber: Es erniedrigt unbewusst oder bewusst das Gegenüber und kann eine Stressreaktion auslösen. Keine Frage: In einer Expertenrunde oder bei Vorstellungen, wenn es um die Klärung von Kompetenzen geht, sind solche Sätze durchaus angebracht, aber wenn es um das normale Miteinander geht, ist es dann notwendig auf Titel oder Berufe zu pochen, nur um zu zeigen „das man etwas besser weiß“?
- Schwarz-Weiß-Denken:
- Wer nur „richtig oder falsch“ kennt, hat Schwierigkeiten mit Graustufen und Entwicklungsprozessen. Die Erde war lange Zeit eine richtig gute Scheibe, bis man feststelle: man lag falsch! Sie ist eine Kugel! An diesem Beispiel ist es einfach, da die Erde entweder eine Scheibe oder eine Kugel ist. Ohne die Wassermassen wäre sie eine Kartoffel. Methematiker finden das kritisch, da sich Kartoffeln so schwer berechnen lassen, aber die Landwirte würde es freuen. Vor der Rechtschreibreform waren „Brennesseln“ richtig. Nun sind sie falsch, und wurden durch „Brennnesseln“ ersetzt. Zu Goethes Zeiten konnte man sie schreiben wie man wollte mit oder ohne Doppelkonsonantenpaare. Im Zeitalter der KI versteht jede Texterkennung was gemeint ist.
Aber was ist mit Beispielen die nicht so klar sind? Eier und Butter? Sind die nun gesund? Ja oder Nein? Oder kommt es auf die Menge an? Auf Verträglichkeiten? Zubereitung? Was wird sagen könnte: „mein Kenntnisstand ist“ oder „ich vertrage Eier nicht“ . Dann weiß man, wo jeder abzuholen ist und findet zur gemeinsamen Ausgangsbasis.
- Wer nur „richtig oder falsch“ kennt, hat Schwierigkeiten mit Graustufen und Entwicklungsprozessen. Die Erde war lange Zeit eine richtig gute Scheibe, bis man feststelle: man lag falsch! Sie ist eine Kugel! An diesem Beispiel ist es einfach, da die Erde entweder eine Scheibe oder eine Kugel ist. Ohne die Wassermassen wäre sie eine Kartoffel. Methematiker finden das kritisch, da sich Kartoffeln so schwer berechnen lassen, aber die Landwirte würde es freuen. Vor der Rechtschreibreform waren „Brennesseln“ richtig. Nun sind sie falsch, und wurden durch „Brennnesseln“ ersetzt. Zu Goethes Zeiten konnte man sie schreiben wie man wollte mit oder ohne Doppelkonsonantenpaare. Im Zeitalter der KI versteht jede Texterkennung was gemeint ist.
- Fehler als Bedrohung des Weltbildes:
- Wer Fehler macht, muss sich neu orientieren. Das fällt manchen schwer. War eben Fett noch der größe Ernährungskiller und ist nun rehabilitiert, so steht man nun erst mal wieder ratlos vor dem Supermarktregal: Doch den Vollfett-Joghurt? So fühlt sich echtes Lernen an! Man bewegt sich raus aus der Komfortzone, stellt altes Wissen in Frage, versucht das im Alltag abzugleichen. Das ist auch der Grund, warum es Lehrer mit Kindern sehr viel einfacher haben, als Trainer und Dozenten in der Erwachsenenbildung, denn Erwachsene haben meist zu allem schon ein eigenen Weltbild entwickelt und werden dann mit Aspekten konfrontiert, die erst mal Widerstand erzeugen. Kinder haben diese festen Weltbilder noch nicht in diesem Maße. Ich bin dafür, das Dozenten in der Erwachsenenbildung höher bezahlt werden sollten :-).
- Negative Prägung in der Kindheit:
- Wurde man als Kind für Fehler getadelt, entsteht oft ein überkritischer Umgang mit Fehlern. Es entwickeln sich regelrechte „fehlerhafte Kindheitstraumata“. Sollte das nicht anders sein? Sollte nicht jeder sein Potenzial entfalten dürfen, ohne die Flügel gestutzt zu bekommen?
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Wie können wir besser mit Fehlern umgehen?
Selbst Fehler akzeptieren
Fehler zu machen ist nichts „schlechtes“. Fehler sind echte Lernschritte. Daher lasse ich meine Fehler auf dieser Webseite auch erst mal so stehen. Es ist mein ganz persönlicher Umgang, mich von meinen eigenen Kindheits-Fehlertraumata und meinem lange überzogenen Anspruch auf Perfektion zu befreien und einen entspannten Umgang damit zu lernen.
Du kannst das natürlich deuten als „Die ist nur zu faul, ihre Fehler wegzuräumen“… Naja, erst mal muss ich sie sehen…Aber: Das sind dein Gedanken, nicht in meine. Ich kämpfe mein ganzes Leben mit der Rechtschreibung. Mich setzte die Leitungsgesellschaft und Perfektion Zeit meines Lebens so unter Druck, dass ich Asthma entwickelte und bestimmt waren auch Minderwertigkeitskomplexe dabei. Doch heute habe ich den Mut und das Rückgrat zu sagen: Ja, es sind meine Fehler und ich werde sie nach und nach ausräumen, aber ich kommen auch mit ihnen voran oder vielleicht auch gerade, weil ich sie gemacht habe und ich habe Spaß im Leben. Ich lasse dir dein Recht, lass du mir meines. Und wenn dich Fehler stören: Es gibt X-Millionen fehlerfreie Seiten aber vielleicht nur wenige mit meinen Inhalten.
Statt sich selbst zu verurteilen frage ich mich daher: Was habe ich gelernt? Und ich muss sagen: Seit ich mit dem Astra-Theme eine WordPress-Webseite aufbaue, habe ich viel gelernt über Bildoptimierung, SEO, grafische Gestaltung, Funktionsweisen, sogar CSS, Plugins, Datenbankanbindung und Serverhosting. Lauter Zeug, das man beim Besuch einer Webseite gar nicht wahrnimmt. Folge: Ich wertschätze jede einzelne handgeschmiedete Webseite im World Wild Web. Meine Hochachtung gilt allen Webseiten-Programmieren. Ich baue weiter in meinem Schneckentempo und lernen mit jedem Klick, auch wenn er falsch ist oder mich in die Irre führt.
Wie kann man auf Fehler hinweisen?
Aber was machen, wenn man einen Fehler findet? Ansprechen? Den anderen „dumm“ sterben lassen? Ich würde sagen, das kommt darauf an. Geht es nur um den Inhalt. Lass Tippfehler stehen. Ist etwas überaltert, kann man freundlich darauf hinweisen, dass man neue Daten hat und diese dem jeweiligen Menschen zur Verfügung stellen. Hier reicht es nicht aus, einfach nur zu sagen „das stimmt nicht“. Belege helfen Informationen einzusortieren. Ob sie dann „richtiger“ sind oder nicht, sollte jeder einzelne für sich entscheiden dürfen.
Also? Was tun?
- Gar nichts.
- Fehler einfach aushalten, ohne sofort zu korrigieren. Das ist für viele Menschen ein großes Lernfeld: aushalten!
- Selbst reflektieren: Warum stört mich der Fehler? Auch das kann zu einer echten Herausforderung werden, weil man sich einen Spiegel vorhält und man oft mit dem Schatten der Vergangenheit konfrontiert wird. Aber: Hier möchte ich Mut machen! Genau das zu erkennen und akzeptieren zu lernen, kann der Grundstein sein, im Alltag entspannter durchs Leben zu laufen.
- Mit gewolltem Feedback:
„Ich könnte dir helfen, deine Unterlagen zu optimieren, wenn du das möchtest.“ oder „Möchtest du Feedback dazu?“
Der freie Wille ist entscheidend! Wer nicht möchte, hat seinen Grund, und eine ehrliches „Nein, danke“ ist nichts, das böse gemeint ist. Vielleicht ist ein altes Kindheitstrauma noch aktiv und eine wohlwollende Hand auf der Schulter ist mehr Wert, als ein roter Strich in den Unterlagen. Menschlichkeit über Perfektion. - Indirektes Lernen ermöglichen:
Oder mache es wie Aristoteles. Frage. Ermögliche indirektes Lernen:
- „Wie bist du zu diesem Ergebnis gekommen?“
- „Was war dir bei der Recherche besonders wichtig?“
- „Magst du mal schauen, wie Brennnessel in drei verschiedenen Duden der letzten 50 Jahre geschrieben wurde?“
4. Den Fokus auf den Inhalt legen, nicht den Fehler:
Ist es nicht wirklich so, dass wir ein Buch kaufen oder einen Artikel lesen, weil uns das Thema angesprochen hat? Worum geht es also? Um den Inhalt! Zugegeben, Fehler können ablenken, aber das ist ein Fokus-Problem des Lesers, auch wenn der Autor vielleicht ein Rechtschreibproblem hat, oder ein Verständnisproblem, oder ein Aktualisierungsproblem oder was anderes. Aber jeder hadert mit seinen eigenen Fehlern. Bei Texten die schon geschrieben und unveränderlich sind, lässt sich ohnehin nichts mehr ändern. Bei Artikel oder Beiträgen die sich verändern lassen, könnte es helfen zu sagen: „Dein Text hat eine spannende Perspektive, da solltest du unbedingt noch mal drüber gehen!“
5. Fehler als Normalität enttabuisieren:
Und dann gibt es die Möglichkeit mit offenen Visier in die Welt hinaus zu gehen, sich nicht in einen Panzer aus Perfektion zu zwängen, der einem die Luft zum Atmen nimmt und zu Stress führt. Ja, auch die Konfrontation mit Menschen, die einen ständig auf Fehler hinweisen, kann zu Stress führen, aber: Wenn man das erkannt hat, kann man lernen dieses Mindset umzuschreiben. Dann wird aus einen „oh, schon wieder Fehler“ ein „Ah, ich habe gerade einen Tippfehler gemacht. Passiert mir ständig. Danke für den Hinweis.“ oder ein „In einer Welt mit KI in der alles perfekt sein könnte, bringt ein wenig authentische Fehlerkultur doch wieder Menschlichkeit zurück.“
6. Humor & Leichtigkeit einbauen:
Zu guter Letzte sind die besten Fehler , lustigsten und oft bedingt durch die gute alte Autokorrektur: „Schau mal, du hast gerade in deinen Gehirnartikel „Floh“ statt „Flow“ geschrieben – Da hat dir der Flow den Floh ins Ohr gesetzt!“
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Fehler als Entwicklungsmotor
Eine gesunde Fehlerkultur reduziert Stress und erhöht Lernbereitschaft. Wenn wir Fehler als natürlichen Teil des Prozesses sehen, können wir sie nicht nur besser akzeptieren, sondern auch aus ihnen wachsen. Die Frage ist nicht, ob Fehler passieren – sondern wie wir mit ihnen umgehen.
Der wahre Fehler ist nicht das falsche Wort, die vergessene Korrektur oder die veraltete Info.
Der Fehler ist das System, das Perfektion fordert, aber keine Ressourcen gibt, um sie zu erreichen.